Dienstag, September 18, 2007

The Shock Doctrine von Alfonso Cuaron und Naomi Klein

Dieser Tage ist das 3. Buch von Naomi Klein Die Schock-Strategie bei uns erschienen. Die Schock-Strategie besagt, dass weltweit menschliche Schockzustände ausgelöst durch Kriege oder auch Naturkatastrophen neo-liberal ausgenutzt werden, um die noch unter Schockstehenden weiter kontrollieren sprich ausbeuten zu können. Ausgehend von der Elektroschocktherapie, für die sich vor allem die CIA sehr interessiert hat, spannt Naomi Klein den Bogen dann weiter bis zum Free Trade Propheten Milton Friedman. Naomi Klein wurde nach "No Logo" ja nachgesagt, dass sie eine der einflußreichsten Personen unter 30 Jahren sei. Bin gespannt wie man sie nach diesem Schinken nennen wird.

Alfonso Cuaron, Regisseur von Children of Men, hat für Naomi Klein diesen Kurzfilm gedreht, der die Grundidee des Buches zusammenfasst.


Dienstag, Dezember 05, 2006

Scar Tissue von Anthony Kiedis / John Belushi - ein kurzes schnelles Leben von Bob Woodward

Ich habe dieses Jahr zwei Bücher gelesen, die von der Thematik nicht hätten ähnlicher sein können, die sich jedoch in entscheidenden Punkten sehr voneinander unterscheiden. Bei dem ersten handelt es sich um "Scar Tissue", die Autobiografie von Anthony Kiedis, der Sänger von den Red Hot Chili Peppers, den ihr bestimmt alle aus der Gala kennt. Da war er drin, weil er ab und zu mal was mit Heidi gehabt hat, bevor die sich in den großen, schwarz-narbigen Seehund verknallt hat. Ausserdem macht der auch tolle Musik, zu der ich vor 14 Jahren immer ganz ausgelassen gepogt habe, weil mir keiner gesagt hat, dass mich hier das erstemal der Funk geküsst hat und ich das ganze ein bisschen mehr aus der Hüfte starten lassen sollte. Ja, ja der Tony, macht heute immer noch klasse Mucke, die ich aber irgendewie nicht mehr so aktiv höre, da, immer wenn ich die Californication reinhaue mir auffällt, dass die auch ohne mein Zutun überall läuft und ich alles,ohne mich darum gekümmert zu haben, schon in und auswendig kenne.

Der Tony war früher echt ein wilder Vogel der nichts ausgelassen hat. Und so liest sich seine 600 Seiten dicke Bioschwarte auch verdammt kurzweilig. Sein Vater war ein echter Pimp, sein Sohn schon im Kindesalter den Drogen nicht abgeneigt, später dann abhängig von allen Stöffchen, die die Welt so zu bieten hat. Und Frauen, immer Frauen, die sich dem Glücklichen irgendwie immer von ganz alleine hingegeben haben. Dazwischen lag dann irgendwo die Band und der immer größer werdende Erfolg. Das schöne an der Autibiografie ist, dass sie nie moralisierend daherkommt, dass man das Gefühl hat, dass Kiedis sein Leben mit Freude bis ins Extreme lebt, dass hinter Musik, Drogen und Frauen etwas explosiv bejahendes steht. Eine Intensität, eine Dichte, für die man eben auch seinen Tribut zahlen muss. Kiedis musste zig Entzüge und Rückfälle durchleben und nach Lesen dieses Buches ist es mir ein Wunder wie er das überhaupt überleben konnte. Sein Seelenverwandter und Bandkollege Hilel Slovak hat eine Überdosis dahingerafft und der Peppers Wunderknabe-Gitarrist John Frusciante ist demSensenmann mit dem Spritzbesteck auch nur knapp von der Kanüle gehopst.



Es ist ein toller Lebensbericht. Eine schreckliche und feiernde Drogengeschichte. Ein Bericht der tollen 80er Punk Szene an der Westküste. Und ein sehr persönliches Buch. Vorallem besser als die Gala, den hier werden die richtigen Papparazzis-Stories ausgepackt. Tony mit Nina Hagen, die ihm ihre Lieblingsjacke geschenkt hat. Tony, als kleiner Junge, bei Cher im Bett. Tony und Sinead O`Connor, die ihn mal richtig hat ablitzen lassen. Man die Jungs hatten wirklich den Schalk im Nacken, standen furchtbar unter Strom und haben einen nonkonformistisches jugendhaftes Leben zelebriert, von dem ich vielleicht nur träumte, während ich freitags in der Indiedisco fälschlicherweise wieder die Tanzfläche zu "Power of Equality" leergepogt habe, obwohl doch alle mit mir den Funk teilen wollten.


Auch für mich als manchmal Musikschaffender ist das Buch natürlich eine Ode an die bergeversetzende Gewalt von Musik. Wenn ich das Buch zrückhabe füge ich hier noch mein Lieblingszitat an, bei dem Kiedis die energetische Wucht kurz vor dem ersten Auftritt beschreibt, die gleich wie eine Bombe hochzugehen droht.

" Und dann warf der gute Jack Irons den Kopf in den Nacken, schlug seine Stöcke gegeneinander und zählte: "Eins, zwei, drei, vier." Als die Musik einsetzte, wusste ich nicht, was ich tun würde, aber ich hatte so viel Saft durch meine Adern fließen, dass ich trotz der Enge einen Salto machte und voll Stoff gab. Und dann ließen wir es krachen. Bis zu diesem Moment hatten wir keine Vorstellung davon, was wir wollten, doch mit Beginn des Songs begriffen wir, dass wir darauf aus waren, zu explodieren und die Leute mit allem, was wir hatten, wegzublasen. Als wir loslegten, kamen selbst diejenigen im Raum, die und vorher keine Aufmerksamkeit geschenkt hatten, bis ganz vor die Bühne geschlappt. Und als wir fertig waren, stand das ganze Publikum wie wom Donner gerührt da, völlig perplex und sprachlos."



Das zweite Buch, welches ich euch ans Herz legen kann, ist die Biografie von Bob Woodward über das Leben von John Belushi. Woodward, ist der Journalisten Spezi, der mit seinem Kollegen Bernstein, den Watergate Skandal aufgedeckt hat, der Amerika so bis ins Mark und Bein erschütterte. Nixon musste den Abgang machen und Woody hat den Pulitzerpreis abgesahnt. Wir haben es hier also mit einem journalistischen Schwergewicht zu tun, der es bei der Washington Post mit investigativen Ermittlungen zu tun hatte. Dementsprechend unterscheidet sich auch der Ton der Biografie. Er ist wesentlich sachlicher als die persönlichen Anekdoten die Anthony Kiedis so ganz subjektiv und frei von der Leber zum Besten gibt. Dafür aber super recherchiert, mit einem riesen Anhang, in dem jeder Artikel, jedes Interview, das für die Entstehung des Buches von Bedeutung war, aufgelistet wird.



Obwohl der Stil eher nüchtern ist und ich am Anfang deshalb auch nicht so in das Buch reingesogen worden bin wie vielleicht bei "Scar Tissue" hat es mich doch noch wesentlich beeindruckter, getroffener, veränderter hinterlassen, als vieles was ich in letzter Zeit gelesen habe. Und das liegt vor allem an der Person John Belushi, der mich wesentlich mehr fasziniert hat als Kiedis. Dieser so brachial, physisch agierende Komödiant, dem eine so lange und erfolgreiche Karriere vorausgesagt wurde und dem, eigentlich genau am Anfang dieser, seine Drogensucht ein tragisches Ende bereitet hat. Aussetzen des Atems auf Grund einer Überdosis. Belushi hat Berge von Koks geschnupft, gesoffen, sich Quaaludes reingehauen, gekifft und sich am Ende dem Heroin hingegeben, um das er aus Angst lange Zeit einen Bogen gemacht hatte. Belushi, dieses Genie, das an seinen eigenen Selbstzweifeln, an seiner eigenen selbstzerstörerischen Ader zugrunde gegangen ist. Einer, der Punk liebte, der gegen das Establishment arbeiten wollte und trotzdem in einem rasanten Aufstieg zu einem seiner Vorzeigehelden geworden ist.



Das Buch arbeitet alle seinen wichtigen Lebensstationen genau ab. Seine Jugend, seine ersten aufseheneregenden Auftritte bei "Second City" (einem sehr bekannten Comedy Theater in Chicago), sein Umzug nach New York, wo er erst zusammen mit Chevy Chase in "Lemmings" auftrat, dann für das National Lampoon Radio arbeitete, bevor man ihn für die erste Staffel von Saturday Live castete, von wo aus es in Bezug auf sein Bekanntheitsgrad kein Halten mehr gab. Belusih, Dan Aykroyd, Gilda Radner, Chevy Chase, Jane Curtin, Garret Morris waren bald Kult und Hollywood aufmerksam geworden. "Animal House" von John Landis brachte den großen Durchbruch auf der Leinwand und die in der Show das erstemal agierenden Blues Brothers (Belushi und Aykroyd) schafften mit einer fulminanten Band im Rücken mit dem ersten Album Doppel Platin.


Das tragische an der ganzen Geschichte ist, dass Belushis Talent unglaublich gewesen sein muss und das er dafür leider nur so wenig hinterlassen hat. Wenige Filme, die in ihrer Qualität teilweise auch sehr streitbar sind, ca. 5 Jahre Saturday Night Live und die Blues Brothers.

Dabei ist das Buch auch eine großartige Bestandsaufnahme des damaligen Celebrity Lebens. Alle haben mitgekokst. Das galt als völlig normal. Niemand konnte jedoch in Sache Quantität mit Belushi mithalten. Seine nächte-und tagelangen Drogen und Feierstreifzüge waren bekannt. Robin Williams hatte ihn am Abend seines Todes noch besucht. Robert DeNiro, sein Drogen Buddy, hat im gleichen Hotel gewohnt und stand als einziger für Interviews für dieses Buch nicht zur Verfügung.


Mir hat wirklich die Seele geblutet, nachdem ich mit dem Buch fertig war. Vorallem weil Belushi, dieser kleine, brutale Rüpel, der in seiner ganzen Art einfach immer "direkt in die Fresse" war, ein herzensguter Mensch gewesen sein muss, der konsequent das Leben auf des Messers Scheide getanzt hat. Seine Comedy war wie ein gewaltiger, direkter Schrei nach vorne, hatte etwas körperlich zerstörerisches. Dieser Typ guckt in die Kamera und springt dich dabei an. Auch wenn ich mir jetzt im Nachhinein alte Filme, Blues Brothers Auftritte oder Saturday Night Live Sketche anschaue, kann man diesen Wahnsinn im Genie erkennen. Dieses getriebene, nie rastlose Wesen, die gehetzte Persönlichkeit, der Druck, der dann auf der Bühne förmlich explodiert. Das was Anthony Kiedis hedonistisch, bejahend, extrem überlebt hat, endete bei Belushi konsequent, destruktiv, getrieben, verwirrt, wahnsinnig und allein im Hotelzimmertod. Auf seinem Grabstein auf Martha`s Vineyard steht "I may be gone, but Rock`n Roll lives on". Diese radikale, kreative Seite mit all ihren negativen Aspekten, mit all dem Druck und der Zerissenheit hat mich mehr fasziniert, lagen mir näher als Kiedis ein Glück gut ausgegangene Lebensgeschichte.

Das hat mich auch an meine eigene verflossene Band zurückdenken lassen. Dieses auf der Bühne "rauslassen" können, dieses im Moment aufgehen, dieses nicht mehr nachdenken müssen. Diese instinktive, augenblickliche Aktion. Welch befreiende Sekunden das gewesen sind. Alle Hüllen fallen und übrigbeleibt, was wirklich von einem als wirklich empfunden wird, bevor sich der abgeworfene Mantel wieder von alleine zugeknöpft.

Ich habe die John Belushi Biografie gleichzeitg von zwei Seiten empfohlen bekommen, die das Buch irgendwann in den 80ern gelesen hatten. Beide meinten, dass sie kein Buch in ähnlicher Art und Weise in ihren jungen Jahren so stark geprägt hat wie dieses. Und mit meinen 31 Lenzen kann ich sagen, dass das Buch und Belushis Geschichte nichs von seiner Treffsicherheit verloren hat. Mein Bedürfniss danach diesen Mann live im Bild zu sehen war unglaublich groß. Durch eine fachmännische Quelle konnte ich mir aud DVD gleich die Blues Brothers Live Auftritte, den Film an sich, Continental Divide und Die Saturday Night Live Best of John Belushi DVD zu Gemüte führen. Hammer...

ch mochte John Belushi immer. Schon damals als Kind im Zeitalter der Videokassette. Jetzt liebe ich ihn und bau mir einen Altar...

Just dieser Tage ist auch eine neue Belushi Biografie erschienen, die seine Frau geschrieben hat. Ich glaub ich bin dabei. Links in der Bücherliste findet ihr die Links zu den Büchern bei Amazon. Die Belushi Biografie gibt es gerade als absolutes Schnäppchen bei ZweitausendUndEIns für nur 2,99 €. Wer kann dazu schon "Nein" sagen ???



Kim Novak badete nie im See Genezareth von Hakan Nesser

Auf dieser Seite habe ich gaube ich schon mal erwähnt, dass ich nicht unbedingt der größte Krimifan von Autoren bin, die immer wieder mit den gleichen europäischen Kriminalermittlern antanzen, um am Ende irgendeinen Provinzfall durch akribische Arbeit zu lösen, den Schrecken zu vernichten und auf das nächste unglaubliche Verbrechen zu warten, dass uns dann in der darauffolgenden Saison wieder in der Bestsellerliste erwartet. Ich gebe zu alles ziemliche Vorurteile.
Den einzigen Henning Mankell, den ich gelesen habe, fand ich auch spannend und gut geschrieben. Irgendwie aber nie so unfassbar gut, dass ich dem ganzen Hype verfallen wäre und auch nicht mehr ruhig schlafen kann bis der "Neue" über die Ladentheke geht.
Gezwungenermaßen bin ich jetzt mit einem skandinavischen Kollegen von Henning Mankell in Berührung gekommen, der mich meine Voreingenommenheit nochmal schwer überdenken lässt. Die Rede ist von Hakan Nesser, dessen Kiminalroman "Kim Novak badete nie im See Genezareth" ich während meiner Ausbildung erst als Pflichtlektüre lesen musste und danach mir nochmal willig zu Gemüte geführt habe. Und je länger ich mich mit diesem ca. 300 Seiten starken Buch befasst habe umso aufregender wurde die ganze Sache.
Beschrieben wird ein Sommer am See. Im Zentrum stehen dabei zwei Jugendliche, die mit dem einen Bein schon in der Erwachsenenwelt stehen, mit dem anderen noch kindliche Streifzüge bestreiten. Also ein Roman über das Erwachsenwerden und alles was damit zutun hat. Ein Mord geschieht natürlich auch. Schließlich handelt es sich hierbei ja "auch" um einen Krimi. Wobei die Frage nach dem Mörder nur eine von vielen interessanten Fragen ist, die man dem Roman abgewinnen kann ?
Es geht um die Frage der Schuld, das Verschweigen, die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens, die Unfähigkeit zu Kommunizieren, den Verlust einer im Augenblick gelebten Kindheit zu Gunsten des erwachsenen Versuchs die Welt reflektierend zu begreifen. Wieviele Wahrheiten gibt es ???

Ich will nicht zuviel verraten. Ich kann das Buch nur wärmstens weiterempfehlen. Es lohnt sich sehr.
Meine Vorurteile sind erst mal unter den Teppich gekehrt. Ich werde hier definitiv nochmal zuschlagen und mir auch andere Bücher von Nesser anschauen. Krimipreise hat er ja schon so einige abgeräumt. "Kim Novak..." ist in Schweden schon Schullektüre. Und das völlig zu Recht. Einfach, aber inhaltlich trotzdem sehr anspruchsvoll geschrieben. Für jugendliche Lesemuffel auf jeden Fall motivierender Anreiz mal den Controller aus der Hand zu legen und sich auf eine ganz andere Ego-Perspektiven Reise zu begeben, bei der die 9mm oder die Uzi mal für kurze Zeit in der virtuellen Welt zur Seite gestellt werden darf (die Geschichte wird aus der Ich Perspektive erzählt).

Sonntag, November 26, 2006

Kensington Garden von Rodrigo Fresan

Neulich habe ich zum ertsen mal den gefeierten Film von Marc Foster Finding Neverland gesehen, in dem die literarische Entstehungsgeschichte des Kinderbuchklassikers Peter Pan erzählt wird. Vorbild für diese von James M.Barrie erschaffene Figur waren die fünf Kinder Söhne des Ehepaares Llewelyn, mit denen spielend Barrie einen erheblichen Teil seiner Zeit verbrachte, um mit ihnen in alle möglichen Welten einzutauschen. Auf der einen Seite hat dieses sentimentalitätsschwangere Ungetüm den nah am Wasser gebauten Pädagogen in mir geweckt, der sofort in Sturzbäche ausbricht, wenn Kinder wieder einmal einfach nur durch Glauben und Phantasie Götter, Erschaffer oder Neo werden. Da brennt dann die Flamme der kindlichen Phantasie. Aber irgendwo muss das Feuer ja herkommen. Und da regt sich auf der anderen Seite der Literaturkritiker in mir, der weiß auf welch unverschämte Weise der Film die Tatsachen verzerrt und Barrie als kindlich-naiven, leicht schrägen Dichter zeigt, der nur das Beste von seinen Kleinen will. Die Flamme der kindlichen Kreativität, aus der irgendwann Peter Pan entstehen sollte.


Barrie schrieb selbst:



By rubbing the five of you violently together, as savages with two sticks to
produce a flame, I made the spark of you that is Peter Pan.


Dieser Satz impliziert eine brutale Zweckmäßigkeit, die nichts mit dem lieben Onkel Barrie der filmischen Wahrheit zu tun hat, sondern die Kinder zu Material unter des Dichters Beobachterauge werden läßt, das er für seine eigene schöpferische Tätigkeit nutzt. Dieses Urteil scheint sehr hart und die anfänglich fürsorgliche und freundschaftliche Verbindung zu den Llewelyns unter den Teppich zu kehren. Mit dem Wissen um die später teils tragischen Tode der Llewelyn Boys bleibt davon aber wenig übrig und es drängt einem das Bild von abgefackelten Streichhözern auf, die ebenso schnell ausbrennen wie sie sich entzünden.


Wer an dieser düsteren Seite nicht interessiert ist, sollte nicht Rodrigo Fresans Buch Kensington Garden lesen. In diesem erzählt Peter Hook ein gefeierter Kinderbuchautor und Sohn der Swinging Sixties, die Geschichte Barries Lebens dem von ihm entführten und an einen Stuhl gefesselten Jungen Keiko Kai. Keiko Kai soll den Kinderheld Jim Yang (aus Peter Hooks Kinderbüchern) in der ersten Hollywood Verfilmung spielen.
Der Ich-Erzähler mit dem Pseudonym Peter Hook ist von der dunkelen Seite des Peter Pan Stoffes verfallen und Barries und sein Leben weisen schicksalshafte Parallelen auf.
Und wer erst mal von der tragischen Kindheit Barries erfahren hat, die durch den Tod seines zwöfjährigen Bruders überschattet wurde und durch die depressive Lieblosigkeit seiner Mutter geprägt war, wird die Geschichte von Peter Pan demnächst mit anderen Augen betrachten, wird die Abgründe finden und die Morbidität darin sehen.
Wie anders sollte man sonst den wohl bekanntesten Satz aus Peter Pan verstehen ?
"To die will be an awfully big adventure."

Ich kann das Buch sehr empfehlen. Es ist keine leichte Lektüre, aber Fresan besitzt an manchen Stellen eine Wortgewalt, die ihn nicht umsonst zu einem der wichtigsten jungen lateinamerikanischen Schrifsteller macht. Und danach solltet ihr euch noch mal den Original Peter Pan unter die Lupe nehmen. Sehr erhellend.

Das Gutenberg Projekt bietet Peter Pan als kostenlosen Download an. Ich kann diese Version jedem ans Herz legen, da sie nicht wie so viele deutsche Bearbeitungen verkürzt und entschärft daherkommen.

Hier noch ein paar Rezensionen zu Kensingon Garden:

Der Fluch des Peter Pan (Die Welt)

Im Krokodilbauch rast die Zeit (FAZ)

Kulturweltspiegel

Peter Pan and Paisley (Washington Post)

Dienstag, Oktober 17, 2006

Ich und die anderen von Matt Ruff

Was gibt es für Neuigkeiten aus meiner Lesekiste ? Das goldene Händchen hat wieder zugeschlagen und guten Geschmack bewiesen, obwohl ich fast schon ahnte, dass Ich und die anderen von Matt Ruff ein Selbstgänger werden würde. Matt Ruff dürfte einigen von euch bekannt sein durch seine Bücher Fool on the hill und G.A.S., mit denen sich der aus Queens stammende Autor einige gläubige Anhänger herangezüchtet hat, die bei jeder Neuerscheinung gleich mit dem Schlachtruf "Kult" um die Ecke kommen. Aber irgendwie ist da schon was dran. Ging es in der Fantasy Novelle Fool on the Hill noch um das Zusammentreffen zwischen absolut Gut und absolut Böse, in G.A.S., um den Versuch das Genre des Comics oder Cartoons in die Form eines Romans zu transferieren; ja dann geht es in seinem letzten Roman Ich und die anderen, um Andrew Gage und die Frage wer Andrew Gage eigentlich ist. Das ist nämlich nicht unbedingt einfach zu beantworten. Andrew Gage leidet an multipler Persönlichkeitstörung und vereint ungefähr 40 verschiedene Personen in seinem Körper. Dabei ist er mittlerweile Herr der Lage. Früher war sein/ihr Leben bestimmt durch Chaos und Black Outs, da sich je nach Situation immer unterschiedliche Charaktere in den Körper gedrängt haben. Der eine wusste teilweise vom anderen nichts. Mittlerweile wohnen sie alle zusammen in einem "Haus", eine durch Therapiesitzungen geschaffene Innenwelt, in der jeder Charakter seinen festen Platz und seine feste Aufgabe hat. Andrew ist derjenige der den Körper kontrolliert und die anderen übernehmen ihn nur, wenn sie die Erlaubnis dazu haben. Die große "All in one body -WG".
Dieser Andrew Gage trifft nun im Verlauf des Romans auf Penny, auch eine multiple Persönlichkeit, die aber noch nicht die Bewusstheit über ihre Krankheit erlangt hat und deswegen immer wieder ohne jede Erinnerung an Orten aufwacht ohne zu wissen wie sie dort landen konnte. Die Begegnung des kontrollierten Multiplen auf den im Chaos Lebenden setzt die weitere Handlung in Gang. Dabei haben wir es mit einer Fülle von Charakteren zu tun, Dialoge, die nur in einer Person stattfinden, Menschen, die die Kontrolle verlieren und machthungrige Seelen im gleichen Körper, die diese wieder übernehmen. Jede Persönlichkeitsabspaltung hat ein eigenes Profil, Eigenart und Funktion. Da wir jede Stimme für voll nehmen, bringt uns der Roman über diesen formalen Erzählaspekt deutlich nahe wie eng es in einer Haut mit 50 Leuten sein muss. Ihr wollt wissen wie sich das anfühlt, dann schnappt euch dieses Buch... Recommended...

In letzter Zeit habe ich mehrer Bücher, die sich mit verschiedenen psychischen Krankheiten oder Entwicklungsstörungen auseinandergesetzt haben, gelesen. Wer an guten Büchern zu diesen Themen Interesse hat, sollte ein Auge auf Supergute Tage oder die sonderbare Welt des Christopher Boone von Mark Haddon werfen. Ein Roman aus der Sicht eines autistischen Jungen. Oder Spider von Patrick Mc Grath, die Romanvorlage zu David Cronenbergs gleichnamigen Films, in dem Dennis Cleg nach zwanzig Jahren Aufenthalt in einer psychatrischen Anstalt entlassen wird und in die Gegend seiner Kindheit zurückkehrt.

Die Festung der Einsamkeit von Jonathan Lethem

Das Buch von Jonathan Lethem Die Festung der Einsamkeit ist mit Abstand eins der besten Bücher, das ich seit langer Zeit gelesen habe und wir haben es hier nach Jonathan Franzen (Die Korrekturen) und Jeffrey Eugenides (Virgin Suicides, Middlesex) wohl mit dem nächsten großen Player der amerikanischen Literatur zu tun. Das der Johnny was auf`m Kasten hat, war mir schon nach Motherless Brooklyn klar. Aber mit diesem wirklich epochalen Knaller hat er jetzt den Vogel abgeschossen. Ich hab diesen 700 seitigen Schinken wirklich in 5 Tagen eingesogen und war am Ende echt traurig, dass ich so schnell durch war. Ganz großes Kino !
Der Roman heißt im Original The Fortress of Solitude und bezieht sich auf Supermans geheimes Versteck im ewigen Eis. Der Roman handelt von einer weißen Hippie Familie, die in den 70ern als eine der ersten in eine durchweg schwaze Nachbarschaft zieht. Dylan Ebdus, der 10 jährige Sohn der Familie, ist in diesem Territorium fremd, ein Außenseiter, ein Opfer. Nachdem Dylans Mutter die Familie plötzlich verläßt, spurlos verschwindet und sein Vater, ein kauziger Künstler, sich in seinem Atelier verschanzt, flüchtet sich Dylan mehr und mehr in die Welt der Comics und Superhelden. Auf der Straße ist er für die anderen Kinder nur der Whiteboy, der ganz unten in der Block Hierarchie steht. Das ändert sich erst als Dylan die Bekannschaft mit dem gleichaltrigen Mingus Rude macht, Sohn einer schwarzen Soul Legende und ein Kind, das was zu sagen hat auf den Bürgersteigen ihrer kleinen Welt. Wir verfolgen die beiden durch die 70er Jahre. Ihre Liebe zu Comics, ihr erster Kontakt mit Graffitti und HipHop. Man wird mit ihnen gemeinsam Älter und kommt an den Punkt, an dem sich komischerweise alles ändert. An dem Wege auseinander gehen, an dem die Zeit an jedem unteschiedlich nagt und wir unseren eigenen Pfad durch den Dschungel schlagen. Und dabei lassen wir Federn. Und schaffen uns immer wieder unsere Festungen der Einsamamkeit, aber auch des Schutzes und der Geborgenheit. Dieser Roman erzählt von Freundschaft, von Aufwachsen, von Außenseitertum, von Brooklyn, dem Entstehen von Subkulturen, von Tags, Dosen klauen, Blockpartys und Superhelden. Dieser Roman ist so prall und vielseitig, dass ich noch ewig weiter schreiben könnte. Ich höre damit auf, denn wenn ich jemals eine Buchempfehlung ausgesprochen habe, dann diese hier. Pflichtlektüre.

Interviews mit Jonathan Lethem:

Powells.com
The Morning News

BBC Collective (Audio Interview) 1- on his Johna Wayne obsession
BBC Collective (Audio Interview) 2- on the subectivity of memory
BBC Collective (Auido Interview) 3- on mixing reality with hyperreality

New Partisan - Artikel über The Fortress of Solitude


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Kafka am Strand von Haruki Murakami

In letzter Zeit habe ich für gute Bücher ein goldenes Händchen gehabt und Geschmack bewiesen. Selten war ich so gefesselt, dass ich eine 700 seitendicke Schwarte im normalen Alltagsgeschäft in kürzester Zeit weggeatmet habe. Seit dem Urlaub und Der Festung der Einsamkeit befinde ich mich quasi in einem permanenten Leserausch. Tatsächlich gehe ich manchmal sogar "früher" ins Bett, um mir noch ein paar Seiten zu genehmigen. Und das soll für einen 32 jährigen notorisch nicht ins Bett-Geh-Woller schon was heißen.
Kafka am Strand ist ein mordernes Märchen für Erwachsene. Kafka Tamura, ein 15 jähriger Junge, entflieht einem entleerten Zuhause, welches vor Jahren schon von seiner Mutter und seiner größeren Schwester fluchtartig ohne Ankündigung verlassen wurde, als Kafka vier Jahre alt war. Seitdem trägt er eine verstörende Prophezeihung seines Vaters mit sich herum, die besagt, dass er seinen Erzeuger umbringen und sich ganz ödipusgleich mit seiner Mutter und auch seiner Schwester vereinigen wird. Im Mittelpunkt des parallel verlaufenden Erzählstrangs steht Nakata, der die Fähigkeit besitzt mit Katzen zu sprechen, seit dem der als Grundschulkind mit seiner gesamten Klasse in eine kollektive Bewusstlosigkeit gefallen ist und als einziger danach in einem Koma verweilte, aus dem er viel später erst wieder mit geistigen Defiziten aufwachte. Nakatas und Tamuras Schicksale scheinen auf mysteriöse Weise miteinander verbunden zu sein und sie bewegen sich im Lauf des Romans immer weiter aufeinander zu.
Was ich an Haruki Murakami so schätze ist, dass er es so meisterhaft versteht eine Geschichte in einem realen Raum zu beginnen und sie ganz, ganz langsam in traumähnliche Welten abgleiten zu lassen. Eine verfremdete Realität, die uns irgendwie gerade noch bekannt, aber trotzdem so anders vorkommt. Wahrnehmung, die Frage nach der eigenen Identität, der inwärtsgewandte Blick sind zentrale Themen in diesem Roman, in dem sich die Hauptfiguren ganz ihren griechischen Ahnen gleich auf einer vom Schicksal gesteuerten Reise befinden.
Wer die trivale Eindeutugkeit liebt lässt lieber die Finger weg von diesem Buch. Ich habe es sehr genossen und kann es euch sehr weiterempfehlen.

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